Ich bin kein Zockertyp – aber auch ein Nicht-Zockertyp kann süchtig werden.
Mit diesem Satz beginnt Michaels Geschichte. Eine Geschichte, die zeigt, wie schleichend sich eine Sucht ins Leben drängen kann.
Und wie schwer es ist, die Kontrolle zurückzuerobern – besonders, wenn ADHS mit im Spiel ist.
♥ Ein Leben mit ADHS – immer ein bisschen anders
Michael wusste lange nicht, warum er anders tickt als andere. Warum er impulsiver reagiert, sich schlecht konzentrieren kann und warum sein Kopf nie still ist. Die Diagnose ADHS bekommt er erst als Erwachsener.
Michaels Kopf ist wie ein Motor ohne Bremse. Er will runterkommen – und gleichzeitig braucht er häufig einen neuen Reiz.
Genau dieser innere Druck, diese Rastlosigkeit, macht ihn anfällig für Suchtmechanismen.
Und das Spielfeld, auf dem sich seine Spielsucht entfaltete, war: Lotto.
♥ Der Anfang: „Nur ein paar Scheine“
Anfangs war Lotto für Michael harmlos. Ein paar Scheine. Ein kurzer Kick. Mehr nicht. Er hat nicht das Gefühl, nicht aufhören zu können. Als er einmal einen höheren Gewinn macht, ist das wie ein Schlag ins Dopaminsystem. Und es ist für ihn der Beweis: Wenn er nur oft genug spielt, kann er sein Leben verändern.
Rational weiß er natürlich, dass die Gewinnchancen winzig sind. Aber Sucht entsteht nicht rational. Sie entsteht in den leisen Momenten dazwischen – wenn Hoffnung größer ist als Vernunft.
♥ Die Sucht – als Lotto zur Flucht wurde
2013 verliert Michael seine bisherige Wohnsituation. Plötzlich ist da Druck. Existenzangst. Und ein Ausweg, der so leicht zugänglich ist wie der nächste Kiosk:
Lotto wird seine Flucht vor der Realität.
Er hat das Gefühl, seine Probleme wegspielen zu können.
Nur ein weiterer Gewinn, dann sind all seine Probleme gelöst.
Was als Spiel beginnt, wird ein Zwang.
Er verspiel insgesamt 6.500 Euro – das Geld seiner Mutter, auf das er Zugriff hat. Und er belügt seine Partnerin dreieinhalb Jahre lang, immer wieder, wenn er „nur mal kurz was erledigen“ muss. In Wahrheit steht er im Kiosk und füllt Lottoscheine aus.
„Das Geld bekomme ich nie zurück“, sagt er heute. „Und das Leid, das dahintersteht, möchte ich nie wieder erleben.“
♥ Der Wendepunkt: ein schwarzer Kater auf einem Grab
2017 stirbt Michaels Katze – das Tier, das er vor Jahren mit der Hand, Häppchen für Häppchen, großgezogen hat.
Als er sie im Garten beerdigt, legt sich am nächsten Tag ein junger schwarzer Kater auf das frische Grab.
„Ich weiß, das klingt kitschig. Aber in diesem Moment wusste ich: Das ist ein Zeichen. Ich muss reden. Ich kann so nicht weitermachen.“
Er gesteht seiner Partnerin alles: die Lügen, das verspielte Geld, die Jahre voller Versteckspiel. Es ist ein brutaler Moment – aber ein ehrlicher. Seine Partnerin fordert von ihm, sich Hilfe zu suchen. Und genau dieser Moment öffnet die Tür, durch die er gehen muss.
♥ Hilfe finden und wirklich annehmen
Michael beginnt zu suchen: nach Hilfe, nach einem Ort, an dem er sich öffnen kann.
Er stößt auf uns, spielfrei24 und seinen Gründer Thomas. Der Anfang ist hart. Michael möchte sich öffnen, muss aber feststellen, dass das nicht so einfach ist, wie es klingt.
„Ich wollte etwas ändern – aber es sollte nicht wehtun“, sagt er. “Ich konnte erst einmal nicht gut über alles reden.”
Doch er bleibt dran. Er besucht eine Selbsthilfegruppe, die ihn jedoch erst einmal nicht richtig weiterbringt. “Ich hatte mit den Menschen dort nichts gemeinsam – mehr als über die Spielsucht haben sie über Fußball gesprochen, und das war nicht mein Ding.” Aufgrund der dann einsetzenden Covid-19-Pandemie und des Verbots von Präsenztreffen findet er über Thomas eine Online-Selbsthilfegruppe. Dort trifft er endlich auf Menschen, die ihn verstehen. Menschen, die die gleichen Gedanken kennen. Noch heute bringt er sich dort ein, gibt seine Erfahrungen weiter. Redet.
♥ ADHS und Sucht: Wenn eine Sucht die andere ersetzt
Michael spricht sehr offen über seine ADHS und seine Neigung, von einer Sucht in die nächste zu rutschen. Sport und Rauchen etwa sind zwei der Dinge, die in seinem Leben immer wieder eine große Rolle spielen.
„Als ich mit dem Joggen angefangen habe, habe ich aufgehört zu rauchen. Als ich mit dem Joggen aufgehört habe, habe ich wieder angefangen zu rauchen.”
Dieses „Springen“ zwischen Süchten ist bei ADHS keine Seltenheit.
Das Gehirn sucht sich neue Reize. Neue Kicks. Neue Wege, den Lärm im Kopf leiser zu machen.
Heute weiß Michael das – und kann viel bewusster damit umgehen.
♥ Freiheit: jeden Tag eine Entscheidung
Michael ist spielfrei. Aber er nennt sich nicht „geheilt“.
„Sucht verschwindet nicht. Aber ich kann jeden Tag neu entscheiden.“
Er weiß: Rückfallgedanken können kommen. Und er weiß auch, dass er nicht allein ist. Und dass es sich lohnt, spielfrei zu bleiben.
„Nicht zu spielen bedeutet, Rücklagen zu haben“, sagt Michael.
„Es bedeutet Freiheit. Und das ist es wert.“
♥ Fazit
Michaels Geschichte zeigt: Sucht hat viele Gesichter.
Und ADHS macht diese Gesichter noch komplexer.
Aber es gibt Wege hinaus – mit Ehrlichkeit, Struktur, Hilfe und Menschen, die zuhören.